Informationsquellen

Pyshne ist kein berühmter Ort. Deshalb gibt es über die Geschichte des Ortes auch keine ellenlangen Abhandlungen. Sie wird eher mündlich von Generation zu Generation weitergegeben. Glücklicherweise konnte die ehemalige Lehrerin Katerina Ivanovna Sachno viel über den Ort und seine Bewohner erzählen.

Myloradovich VasilAußerdem stießen wir auf den Namen Vasil Petrovitsch Miloradovich (Милорадович Василь Петрович). Er war ein ukrainischer Historiker und Ethnograph um 1900, der u.a. viel über die Gegend um die Stadt Lubny geschrieben hatte. Seine Werke veröffentlichte er in dem Geschichtsjournal "Kievskaya starina". Zum Glück gibt es zahlreiche Quellen im Internet, wo man in diesem Journal schmökern kann. Für uns war der Artikel "Средняя Лубенщина" besonders informativ.Kyivckaya ctarina

So nebenbei, es ist sehr interessant die Ansichten zur ukrainischen Geschichte von Personen im ausgehenden 19. Jahrhundert zu lesen. Wenn man diese mit aktuellen Diskussionen in der Ukraine vergleicht, möchte man meinen, dass sich manche Dinge wohl nie ändern werden.

lubenschinaDie Stadt Lubny feierte in diesem Jahr ihr 1025 jähriges Bestehen! Aus diesem Anlass gab es in der Zeitung "Lubenschina" eine Serie von Artikeln zur Geschichte der umliegenden Dörfer.

Wie Pyshne zu seinem Namen kam

Es gibt da eine sehr romantische Version.

Die Zarin selbst soll in der Gegend gewesen sein und ausgerufen haben: "Ach, was ist das doch für eine prächtige Gegend!" Das muss sie öfters gesagt haben, denn in der Ukraine und Weißrussland gibt es noch mehr Orte, die ihren Namen auf diese Anekdote zurückführen. Leider konnten wir trotz intensiver Recherchen nicht nachvollziehen, das irgendwann auch nur irgendeine Zarin durch unser Pyshne gekommen ist.

Deshalb ist wohl die Variante des Historikers Miloradovich wahrscheinlicher, der da (frei übersetzt) schrieb:karte 1862

"Direkt am Weg nach Pyryatyn liegt der Weiler Pyshne (ich erinnere: Prächtige) oder auch Prächtiger Brunnen. Solch ein Name für ein paar Hütten, deren Türen direkt auf den Weg hinausgehen, ohne Zaun oder Garten um die Gebäude, klingt schon etwas ironisch, wäre da nicht irgendwann einmal ein prächtiger Brunnen mit einer Kapelle gewesen."

Der erste Eintrag in den Geschichtsbüchern

Meistens kommen kleine Orte nur in die Geschichtsbücher, wenn man sich dort ordentlich die Rübe eingehauen hat. So war es auch mit Pyshne. Im Jahre 1762 beschloss Vassili Gregorevitch Kulyabka (Marschallssohn und Stellmacher in Lubny), auf gemeinsamen Kosakengrund seine eigenen Gebäude zu errichten. Das fanden die anderen Kosaken aus den umliegenden Dörfern gar nicht so toll. So dass sich fasst 1000 Leute zusammenfanden, die Gebäude wieder einrissen und Kulyabka selbst mit dem Tode drohten. So ein Aufstand gefiel wiederum dem Ältestenrat nicht so besonders. Deshalb wurden 135 der Kosaken mit 10-60 Peitschenhieben bestraft. Allerdings fand der oberste Richter diese Bestrafung ungerechtfertigt, weshalb er den ältesten Rat zu einer Zahlung von 14,864 Rubel verurteilte. Am Ort der Geschehnisses stand später noch lange das Wirtshaus von Kulyabka.

borte 

Weiter ist die Geschichte nicht so spannend. Der Weiler wurde von einem Petrunki mit samt den Leibeigenen aufgekauft. Der neue Herr war aber auch nicht besonders reich. Er besaß ein Pflug, drei Paar Ochsen, drei Pferde und zwei Kühe. Den Bauern ging es auch nicht so besonders, weshalb sie oft zum Betteln in die reicheren Dörfer der Umgebung gingen.

Später siedelten sich in Pyshne Kosaken aus den umliegenden Dörfern an. Sodass es in der Volkszählung von 1859 hieß:

volkszaelung

Pyshne Kolodez (Prächtiger Brunnen), Weiler, Leibeigene und Kosaken, am Brunnen, 6 Gehöfte, 21 Männer und 18 Frauen.

Die Velitchko's und die Leibeigenen

Die Velitchko's waren eine wohlhabende Familie, die immer wieder in den Aufzeichnungen über die nahegelegene Stadt Lubny auftauchen. Den mündlichen Überlieferungen zufolge, gehörten sie zu einem polnischen Adelsgeschlecht, das selbst, nachdem die Polen auch aus diesem Teil der Ukraine vertrieben worden waren, noch bleiben konnte.

leibeig

Von der Herrin, Frau Velitchko, wurden über die Jahre nur gute Sachen weitergegeben. Der Herrensitz selbst befand sich in dem nächstgelegenen größeren Dorf, Tanrandyntsi. In der Nähe von Pyshne lagen eine Pferdezucht und andere Wirtschaftsgebäude. Die weiten Felder und die leibeigenen Bauern gehörten natürlich auch ihr.

Im Jahr 1861 sollte auch endlich im Zarenreich die Leibeigenschaft abgeschafft werden. Noch vor dem offiziellen Erlass, hatte Frau Velitchko ihre Bauern frei gelassen und ihnen, je nach Familiengröße auch noch großzügig Land überlassen. Damit zog auch in Pyshne der Wohlstand ein.

So berichten es die alten Leute in Pyshne, die dieses noch von ihren Urgroßeltern erzählt bekommen haben.

Von der Revolution 1917 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges

Die Revolution von 1917 veränderte auch das Leben in Pyshne. Die Velichko‘s verschwanden in den Weiten Russlands. Auch die einfachen Bauern waren auf einmal Großbauern und wurden dementsprechend als Feinde des Volkes behandelt. Sie wurden enteignet und teilweise zur Zwangsarbeit verschickt. Die Männer aus der Gegend, brachte man in der Regel in das Lager Solowki, weit im Norden Russlands.

Aus Wikipedia:

Die Solowezki-Inseln (russisch Соловецкие острова/ Solowezkije ostrowa) sind eine aus sechs größeren (bewohnten) und mehreren kleineren und unbewohnten Inseln bestehende russische Inselgruppe im Weißen Meer. Als Alexander Solschenizyn den Begriff Archipel Gulag prägte, dachte er an den Archipel Solowki. Das Lager Solowki war Russlands erstes großes Häftlingslager, das Modell des sowjetischen Lagersystems.

Während der schrecklichen Hungersnot, dem Holodomor von 1932-1933 verloren allein in dem kleinen Weiher Pyshne 12 Menschen ihr Leben.

Pyshne blieb natürlich auch nicht von den tragischen Ereignissen des Zweiten Weltkrieges verschont. An der Front kamen 15 Bewohner des Ortes ums Leben. An sie erinnert auch heute noch ein kleines Soldatendenkmal.

   

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